09.06.2014: Das NRW-Unwetter am Pfingstmontag
Hey zusammen,
am Pfingstwochenende 2014 wurde es in der Region endlich hochsommerlich, aber mit einem dicken Ende am Pfingstmontag.
Ausgangslage war ein Zusammenspiel sehr schwüler Luftmassen von Frankreich und Spanien mit heißer Nordafrikaluft. Am Kaiserstuhl (Oberrhein) wurde in der heißen Luft 38,3 Grad in Ihringen gemessen. Unsere schwüle und hochenergiereiche Luft reichte nur für rund 27 bis 32 Grad, aber die Taupunkte lagen verbreitet bei extremen 21 bis 25 Grad. Somit stand reichlich potentielle Energie (CAPE) für die Gewitter zu Verfügung. Antrieb war eine Kovergenzzone und ein sich bildenes Bodentief über Belgien. Bereits am Mittag bildete sich bei Hürtgenwald-Vossenack an der Kalltalsperre ein erstes Gewitter, dass sich rasch verstärkte zu einer Superzelle. Nach Abzug der Superzelle folgte sonniges und sehr drückendes Wetter. Bei Paris ging die nächste Superzelle in die Höhe und brachte stellenweise über 9 cm dicken Hagel. Diese Zelle breitete sich rasch aus, schloss sich über Belgien mit mehreren Zellen zusammen zu einem Multizellencluster (MCS) und zog von Belgien kommend über ganz NRW hinweg.
Estofex hat für unsere Region die höchste Warnstufe ausgegeben, das zweite Mal nach dem 14.07.2010.
40 Bilder und ein rund 8 1/2 minütiges Video beinhaltet der Bericht. Auch einige Bilder von Usern sind mit enthalten, die die Bilder über Facebook zu uns geschickt haben. Auch nochmal allen ein herzliches Dankeschön für das Zusenden der Bilder, ob über Posting, Beitrag oder Nachricht.
Schon am späten Vormittag ging es rasch los mit den Quellwolken in hochschwüler Luft von rund 28 Grad bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von fast 80 Prozent.
Die Gewitterzelle entwickelte sich nur innerhalb von 10 Minuten und zog mit Platzregen (5,6 L/qm) über Hürtgenwald-Vossenack hinweg und verstärkte sich rasch zur Superzelle. Es kühlte sich vorübergehend auf 21,6 Grad ab, ehe die Sonne die Luft für das schwere Unwetter aufheizte.
Inflowband der sich bildenen Superzelle, festgehalten bei Kreuzau-Thum in Blickrichtung Erftstadt
Der Durchzug der Gewitterzelle über Kreuzau-Thum, bereits schon sehr dynamisch
Im Raum Zülpich war dann die Superzelle geboren. Dort beobachtete man eine Wallcloud mit beaver tail und es gab rund 6 cm dicken Hagel.
Eine Luftaufnahme aus rund 100 m Höhe
Die Superzelle über Bonn und Swisttal
...von Vossenack aus
...immer wieder neue Quellungen rechts
...ein klassischer Amboss, in der Höhe vereist
...sie hielt nur bis in den Westerwald durch und ging wegen der Orografie des Westerwaldes und der Übergang zu heißen und stabilen Luft rasch kaputt.
Dann schien die Sonne für rund 6 Stunden lang und erwärmte die Luft überall gleichmäßig auf 30 Grad bei drückender Luftmasse.
Thomas und ich trafen uns gegen 18 Uhr in Kreuzau-Thum und fuhren rasch los, erstmal nach Jülich-Bourheim. Aber weil die Sicht nicht so perfekt war, haben wir uns umentschieden und sind nach Linnich-Tetz gefahren auf eine Anhöhe, genau zwischen Tetz und Boslar. Dort hatte man eine perfekte Sicht in Richtung Westen, sprich Richtung Alsdorf.
Im Vordergrund der mächtigen Unwetterzelle bildeten sich ausgeprägte Mammatus-Wolken aus, die man selten so sieht.
Ein Panorama aus 10 Hochkanteinzelbilder und 180°, was für ein mächtiger Eissschirm, links in weiß die Kante des Eisschirmes.
Mammaten in Heimbach-Vlatten von Sonja Vellen
Eine Regel: Treten Mammaten vor einem Gewitter auf, muss man meist mit schweren Gewittern rechnen. Und es war sogar ein sehr schweres Unwetter. Es bildete sich eine mehrstöckige Shelfcloud aus und es bildete sich ein Bow-Echo.
Einige Userbilder vom Unwetteraufzug in der Region.
Düren von Johan Theodor
Hürtgenwald-Hürtgen von Marita Habeck
Kreuzau-Drove von Angelika Utrecht
Düren-Niederau von Dirk Boltersdorf
Hürtgenwald-Hürtgen bei Bärbels Hundehütte von Stefan Bialojahn
Hürtgenwald-Gey von Natalie Krieger
Thomas und ich wechselten den Standort, da es bei Tetz auf der Anhöhe gefährlich wurde. Einige positive Blitze entwickelten sich schon im Bereich der Mammaten, rund 20 km vor dem eigentlichen Gewitter. Wir fuhren nach Titz und hielten einige Bilder fest.
Die Shelfcloud kondensierte sich rasch aus und es bildete sich ein Arcus davor. Es blitzte darin im Sekundentakt, oft gar mehrere Blitze innerhalb einer Sekunde (Stroboskop).
Thomas am fotografieren
Andy am fotografieren
...ein mächtiger Arcus, bogenartig, ein Zeichen für schwere Fallböen
Wir flüchteten rasch über Mönchengladbach, über Kreuz Holz nach Jüchen/Korschenbroich. Ein Videostandbild von unserer Bordkamera.
...ein wahres Monster hat sich gebildet
..ohne Worte
Panorama des Pfingstmontagunwetters, wobei ich den schäbbigen Mc.Donalds-Pöller weggestempelt habe.
Wir stellten uns unter der Tankstelle in Jüchen und haben uns von der Front überrollen lassen. Es wurde pechschwarz wie Nacht, auch durch den aufgewirbelten Staub am nahen Tagebau Garzweiler. Es fegten Orkanböen über uns hinweg, selbst das Tankstellendach hob sich, Äste knickten ab, Schilder flogen herum. Dann folgte ein rund 20 minütiger Sturzregen (rund 30 L/qm), gepaart mit Orkanböen. Gegen 21:20 Uhr fuhren wir wieder los Richtung Jackerath, um die Rückseite festzuhalten mit einer herrlichen Sonnenuntergangsstimmung, sowie Crawler. Aber daraus wurde nichts, denn das Unwetter hat eine Spur der Verwüstung dagelassen, tausende umgeknickte Bäume, Unfälle, Sachschäden und 30 km Stau auf der Autobahn. So gerieten wir in den Stau.
Gegen kurz vor 23 Uhr kamen wir zwischen Jackerath und (alt-)Immerath an und hielen noch ein paar Blitze fest auf der Rückseite.
Sonnenuntergang nach dem Unwetter von Patrick Symma, aufgenommen in Vossenack.
Herrliche Abendstimmung bei Kreuzau von Sabrina Engels
Gegen 1:30 Uhr kamen wir heil zu hause an.
Es war ein sehr schweres Unwetter, besonders von der Breite her von rund 200 Kilometer. Besonders hart getroffen hat es genau die Region, wo wir mittendrin waren, der Raum Düsseldorf und das Ruhrgebiet. In Düsseldorf wurde Orkan von 142 km/h gemessen. Bereits 80 km/h sind schon Gift für belaubte Bäume.
Noch ein paar Fakten zum Unwetter
Niederschlag: 15-40 l/qm innerhalb 30 Minuten
Temperaturänderung: von 30 °C auf 17 °C
Luftdruckänderung: über 6 hPa innerhalb einer Stunde
Hagel im Ursprungsgebiet bei Paris: bis 9 cm
Durchmesser der Unwetterzelle: über 600 Kilometer
Wolkenhöhe: über 13 Kilometer
Blitze: etwa 10000 Blitze/h
Windböen: orkanartige Böen und Orkanböen bis 150 km/h, lokal auch 200 km/h nicht ausgeschlossen (Downburst)
Schäden: massive Vegetationsschäden (geschätzte 80000 Bäume entwurzelt, Schäden an Häusern, Autos etc., rund 650 Mio. Euro
Tote: mindestens 6
ZUM VIDEO: ***KLICK***
Es war eins der schwersten Unwetter der letzten 20 Jahre hier in Nordrhein-Westfalen.
René Pelzer hielt das Geschehen in Hürtgenwald fest, mit einer genialen Abendstimmung: KLICK
Die Verifikation zum Unwetter von MeteoGroup und der Unwetterzentrale: KLICK
Chasingskala: 5 von 5, pures USA-Feeling, aber leider mit verheerenden Folgen.
LG
Thomas und Andy